3. Februar 2025 (tpr) – Innehalten und Frieden finden: Japans Tempel und Schreine sind mehr als nur Sehenswürdigkeiten. Es sind Orte der Begegnung mit einer uralten Kultur – Orte, die nicht nur betrachtet, sondern auch gespürt werden wollen. Besonders ergiebig ist die Region Setouchi mit ihren zahlreichen spirituellen Schätzen. Das sind die Highlights.
Hyōgo: am mythischen Geburtsort Japans
Er gehört zu den spirituellen Kronjuwelen Japans: der Izanagi-Jingū-Schrein auf der Insel Awaji-shima in der Präfektur Hyōgo. Der älteste Schrein des Landes ist tief in der japanischen Mythologie verwurzelt. Wann und von wem die Kultstätte errichtet wurde, ist unbekannt. Sehr wahrscheinlich reicht ihre Geschichte jedoch bis in die Anfänge der japanischen Zivilisation zurück! Laut Mythos war es die hier verehrte Gottheit Izanagi persönlich, die den Schrein geschaffen hat.
Izanagi und seine Frau Izanami, denen der Ort gewidmet ist, stehen als die Schöpfer der japanischen Inseln und zahlreicher weiterer Kami (Gottheiten) im Mittelpunkt des Shintō, der traditionellen indigenen Religion Japans. Awaji-shima gilt als die erste Insel, die Izanagi und Izanami geschaffen haben sollen. Damit ist es der mythische Geburtsort Japans! All das verleiht dem Heiligtum auf der Insel höchste Relevanz. Seit dem Jahr 1885 gehört es offiziell zu den bedeutendsten Schreinen des Landes!
Viele Japaner glauben, dass ein Besuch der Stätte Glück bringt. Doch auch Ausländer können sich der ehrwürdigen Aura des friedvollen Ortes inmitten wunderschöner Umgebung mit uralten Bäumen kaum entziehen. Die Architektur fasziniert durch ihre Schlichtheit. Sie ist Ausdruck der Harmonie von Mensch und Natur. Ein imposantes Naturdenkmal und selbst längst Teil der Verehrung ist der über 900 Jahre alte Kampferbaum auf dem Gelände. Das heilige Gewächs schlägt mit seiner majestätischen Präsenz die Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Realität und Mythos, Himmel und Erde.
Der Izanagi-Jingū-Schrein ist bekannt für seine farbenprächtigen Rituale und Feste. Zu den Höhepunkten gehören das Kaiura-Festival im Januar, bei dem das Glück der diesjährigen Reisernte vorhergesagt wird, sowie das spektakuläre Frühlingsfest im April, bei dem ein prächtiger tragbarer Schrein und prachtvolle Festwagen (Danjiri) in einer Prozession (Shinkoushiki) über das Gelände des Schreins ziehen. Darüber hinaus können Besucher zu Beginn jeder Jahreszeit lebhafte Aufführungen von Shintō-Tanz und -Musik genießen.
Yamaguchi: Rurikouji-Tempel mit berühmter Pagode
Sie gehört zu den Wahrzeichen Westjapans. Und für die New York Times gehörte sie zu den “52 Places to Go in 2024”: die fünfstöckige Pagode des Rurikoji-Tempels in Yamaguchi. Die Stadt liegt in der gleichnamigen Präfektur, am westlichen Ende Japans größter Hauptinsel Honshu. Der ikonische, im Jahr 1442 vollendete Turmbau ist 31,2 Meter hoch, hat ein Dach aus Zypressenrinde und gilt neben der Pagode des Hōryūji-Tempels in Nara und der Pagode des Daigoji-Tempels in Kyōto als eines der feinsten Beispiele traditioneller japanischer Pagodenarchitektur.
Die Anerkennung als „Nationaler Schatz Japans“ im Jahr 1952 verdeutlicht seine überragende Bedeutung. Wesentlich für die erhabene Wirkung der Pagode ist das Zusammenspiel mit dem umgebenden Garten, der zu jeder Jahreszeit ein anderes Gesicht zeigt: Kirschblüten im Frühling, frisches Grün im Sommer, bunte Laubfärbung im Herbst und schneebedeckte Dächer im Winter. Derzeit werden – zum ersten Mal seit 70 Jahren – alle Holzschindeln der Pagode erneuert. Deswegen ist das Bauwerk noch bis März 2026 verhüllt.
Der Rurikoji-Tempel gehört zur Sōtō-Schule des Zen-Buddhismus. Sōtō ist die größte und bekannteste Zen-Schule in Japan. Zentrale Meditationspraxis ist Shikantaza, was „nichts als sitzen“ bedeutet. Es ist eine Form der absichtslosen Sitzmeditation. Das Sitzen in der richtigen Haltung und in achtsamer Präsenz soll zur Erleuchtung führen.
Als Objekte der religiösen Verehrung finden sich mehrere Buddha-Statuen, vor denen Besucher für Gesundheit und Heilung beten. Die Kultstätte liegt eingebettet in einen malerischen Park, der zu Spaziergängen und Meditation einlädt. Das Gehen ist – wie auch Essen und Arbeiten – für Schüler der Sōtō-Schule nie nur reine Notwendigkeit, sondern wird durch kontemplative Achtsamkeit zur spirituellen Übung.
Ausflugstipp: Ein sehenswertes Ziel in der weiteren Umgebung, etwa 40 Autominuten entfernt, ist die beeindruckende Karst- und Graslandschaft des Akiyoshidai-Plateaus. Soweit das Auge reicht, prägen grasbewachsene Hügel mit weißen Felsen das Landschaftsbild. Im Untergrund des Plateaus befindet sich eine der größten Kalksteinhöhlen Japans: Akiyoshidō! Die faszinierende unterirdische Welt ist etwa 8,8 Kilometer lang, wovon rund ein Kilometer durch beleuchtete Wege für Besucher bequem zugänglich ist. In einigen Bereichen ist die Decke 80 Meter hoch!
Insel Shikoku: Japans ältester Pilgerweg
Shikoku ist nach Honshū, Hokkaidō und Kyūshū die kleinste der vier Hauptinseln Japans. Sie ist bekannt für die natürliche Schönheit ihrer Bergwelt und als Heimat alter Traditionen, wie des dynamischen Volkstanzes Awa Odori oder der handwerklichen Herstellung von Papier und Lackwaren. Das abgeschiedene Iya-Tal in der Präfektur Tokushima zählt zu den Geheimtipps für Reisende, die sich für das alte, authentische Japan interessieren.
Shikoku ist seit Jahrhunderten auch ein Ziel für Menschen auf der Suche nach Erleuchtung. Berühmt ist der Shikoku-Pilgerweg, einer der bekanntesten und längsten buddhistischen Pilgerwege Japans. Seine Geschichte reicht bis ins 9. Jahrhundert zurück. Der in heutiger Form etwa 1200 Kilometer lange Rundweg führt durch Berge, Wälder, Dörfer und entlang der Küste zu insgesamt 88 (!) Tempeln. Zu Fuß dauert die gesamte Strecke etwa sechs bis acht Wochen. Viele legen den Weg heutzutage jedoch auch mit Fahrrädern, Autos oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Für Buddhisten war und ist das Pilgern in Shikoku eine Möglichkeit zur spirituellen Reinigung und Erneuerung. Jeder Tempel steht für eine bestimmte Phase auf dem Lebensweg von der Erweckung bis zur Erleuchtung.
Auch Nichtbuddhisten nutzen den Weg zum Entschleunigen, zur Reflexion, zur Schulung der Achtsamkeit – oder einfach als intensives Erlebnis japanischer Landschaft, Kultur und Tradition. Prinzipiell kann der Pilgerweg an jedem der 88 Tempel begonnen und beendet werden. Offizieller und bester Startpunkt ist jedoch der Ryozenji-Tempel in Naruto City, Präfektur Tokushima. Hier gibt es die traditionelle weiße Pilgerkleidung, Sugegasa (Strohhüte aus Schilfgras oder Bambus) und Gehstöcke, außerdem Informationen über die Reise, ihre Bräuche und Herausforderungen.
Egal ob Izanagi-Jingū-Schrein, Rurikoji-Tempel oder die Tempel am Shikoku-Pilgerweg: Nur dem achtsamen Besucher, der etwas Zeit mitbringt, offenbaren die spirituellen Kraftorte Setouchis ihr Geheimnis. ■
Infobox:
Izanagi-Jingū-Schrein
740 Taga, Awaji, Hyogo 656-1521, Japan
Ganzjährig, rund um die Uhr geöffnet.
Das Büro des Schreins ist von 8:30 bis 17:00 Uhr besetzt.
https://en.awajishima-resort.com/learn/izanagijingu/ (Englisch)
Rurikoji-Tempel
7-1 Kozan-cho, Yamaguchi City, Yamaguchi 753-0081, Japan
Ganzjährig, rund um die Uhr geöffnet.
https://yamaguchi-city.jp/qrvoice/spot01/voiceen.html (Englisch)
Akiyoshido
3449-1 Akiyoshi, Shuho-cho, Mine City, Yamaguchi 754-0511, Japan
Öffnungszeiten:
März bis November: 8:30–17:30
Dezember bis Februar: 8:30–16:30
https://www.akiyoshidai-park.com/en/ (Englisch)
Ryozenji-Tempel, Startpunkt des Shikoku-Pilgerweges
Tsukahana-126 Oasacho Bando, Naruto, Tokushima 779-0230, Japan
Öffnungszeiten: tägl., 7:00-17:00
Keine Ruhetage.
https://88shikokuhenro.jp/en/jikuwazan-ichijyouin-ryozenji/ (Englisch)