14. Januar 2025 (tpr) – Die Region Setouchi gilt als Geheimtipp, als ein Stück authentisches Japan für Kenner. Vielfältige Projekte des nachhaltigen Tourismus bringen neues Leben in ländliche Regionen und historische Häuser. Geschichte und Gegenwart, Idylle und Inspiration verschmelzen hier zu außergewöhnlichen Urlaubserlebnissen! Drei Highlights aus den Präfekturen Hyōgo und Tokushima.
Wohnen wie eine Bergarbeiterfamilie in der Meiji-Ära
Zeitreise in die Meiji-Ära (1868-1912): Dazu laden liebevoll restaurierte Bergarbeiterhäuser in der ehemaligen Bergbaustadt Ikuno, Präfektur Hyōgo, etwa eine Autostunde nördlich von Kobe ein. Während der Edo-Zeit (1603-1868) war die hiesige Silbermine eine unverzichtbare Einnahmequelle des Tokugawa-Shogunats. In der Meiji-Zeit wurde sie verstaatlicht und mit französischen Fachleuten sowie westlicher Technologie zu einem modernen, mechanisierten Bergbaubetrieb umgestaltet. 1973 wurde die Mine stillgelegt. Heute ist sie ein beliebtes Touristenziel.
Die historischen, 1876 erbauten Wohnhäuser der Minenarbeiter blieben gemeinsam mit weiteren einzigartigen Gebäuden aus der Meiji-Zeit als Baudenkmäler erhalten. Das macht Ikuno zu einer bedeutenden Stätte der frühen Industriegeschichte Japans. Reizvoll ist die Lage des Ortes. Die Idylle der umgebenden Bergwelt, die 90 Prozent der Region ausmacht, bietet mit zahlreichen Seen, Flüssen, Wasserfällen und Wäldern einen spannungsvollen Kontrast zur industriell geprägten Siedlung.
Wie lebten die Bergarbeiter hier mit ihren Familien um die Jahrhundertwende? Das können Urlauber in zwei restaurierten Häusern erfahren. Zahlreiche historische Details machen den Aufenthalt in Koushataku No. 9 und Koushataku No. 19 zu einem authentischen und in Japan seltenen Erlebnis! Das Ikuno-Stay-Konzept ist Teil einer Initiative zur Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus an diesem historisch bedeutsamen Ort.
Im Kominka das alte, ländliche Japan erleben
Die Schönheit des japanischen Kulturerbes und des japanischen Landlebens entdecken: Das ermöglicht das mehr als 300 Jahre alte Landhaus „Chiiori“ in der Bergwelt des Iya-Tals in der Präfektur Tokushima auf der Insel Shikoku. Es ist eine der abgelegensten Gegenden Japans. Gefunden, gerettet und liebevoll restauriert wurde Chiiori von einer der bekanntesten, westlichen Autoritäten zur japanischen Kultur: Alex Kerr!
Japans bedrohtes kulturelles Erbe: Das ist das Lebensthema des Autors und Japanologen. Sein 1993 erschienenes Buch „Lost Japan“ war das erste Werk eines Nichtjapaners, das den renommierten Fachbuchpreis „Shincho Gakugei“ gewann! Kerr wurde 1952 in den USA geboren und lebt seit den 1970er Jahren in Japan. Er ist nicht nur Beobachter, sondern trägt mit seinen Initiativen auch selbst aktiv zum Erhalt japanischer Kultur bei!
Seine besondere Zuneigung gilt den Kominkas, den traditionellen japanischen Landhäusern. Die im Wesentlichen aus regionalen Materialien wie Holz, Lehm und Stroh errichteten Häuser stehen heute oftmals leer und verfallen. Manche werden von Liebhabern wie Alex Kerr gerettet. Für dieses Engagement wurde er im Jahr 2024 mit dem „Architectural Institute of Japan Award for Cultural Achievement“ ausgezeichnet.
„Chiiori“ war das erste Restaurierungsprojekt des Autors und gehört bis heute zu den bekanntesten. Mit Strohdach, offener Feuerstelle (Irori) und originalen Holz- und Lehmelementen vermittelt Chiiori einen authentischen Einblick in die Lebensweise vergangener Generationen. Seit 2012 kann es als Ferienhaus gemietet werden.
Alex Kerrs Vision ist die Wiederbelebung ländlicher Gebiete durch nachhaltigen Tourismus. Was er damit meint, wird etwa 40 Autominuten entfernt, im östlichen Iya-Tal deutlich. Das „Togenkyo-Iya Mountain Village“ besteht aus acht, ebenfalls von Kerr restaurierten, strohgedeckten Häusern, die als Ferienunterkunft gemietet werden können. Ein besonderes Schmuckstück unter den verstreut stehenden Anwesen ist „Ten-ippou“, ein Haus nahe der Bergspitze mit Panoramablick über das Tal.
Nachhaltig übernachten in der Zero Waste Town
Ein Hotel aus Resten für Idealisten: Das Zero Waste Action Hotel ‚HOTEL WHY‘ in Kamikatsu in der Bergwelt im Westen Shikokus, eine reichliche Autostunde von Tokushima City entfernt, ist ein außergewöhnliches Projekt! Gestaltet wurde es vom renommierten Tokioter Architekturbüro Hiroshi Nakamura & NAP, das für den Bau überwiegend auf gespendete Baustoffreste oder weiterverwendbare Teile aus Abrisshäusern zurückgegriffen hat. Das Gebäude wurde überdies so konstruiert, dass am Ende seiner eigenen Lebenszeit die verschiedenen Baumaterialien wieder sauber getrennt und weiterverwendet werden können.
Das visionäre Projekt gehört zum benachbarten „Kamikatsu Zero Waste Center WHY“ und bildet mit ihm gemeinsam aus der Luft betrachtet ein Fragezeichen. „Warum?“: Diese Frage zieht sich durch das Konzept eines der spannendsten Nachhaltigkeitsvorhabens in Japan. Wohlstand ohne Müll: Das versuchen die Einwohner des Städtchen Kamikatsu. Vor über 20 Jahren kam hier zum letzten Mal die Müllabfuhr! Kamikatsu nennt sich seitdem „Zero Waste Town“, die Stadt ohne Abfall. Seine etwa 1300 Einwohner haben sich ein besonders strenges Recycling-Reglement auferlegt und sortieren, was sie nicht mehr brauchen, in 43 (!) verschiedenen Kategorien – und zwar so gründlich, dass die einzelnen Rohstoffe wieder an die Industrie verkauft werden können. Die Recycling-Quote im Ort liegt bei 80 Prozent! Dreh- und Angelpunkt ist das Zero Waste Center. Hier werden die Wertstoffe der Einheimischen gesammelt. Zugleich ist das Center mit Second-Hand-Laden, Community-Workspace und Veranstaltungssaal ein wichtiger Treffpunkt. Interessierte Gäste können auf Führungen erfahren, wie das Zero Waste-Konzept funktioniert.
Die vier Zimmer im HOTEL WHY erstrecken sich als Maisonettes jeweils über zwei Etagen. Durch den hohen Anteil an Holzflächen entsteht die gemütliche Atmosphäre einer Berghütte. Zugleich erlaubt das Haus mit vielfältigen Upcycling-Elementen vom Fenster, über Vorhänge und Teppiche bis zum Sofa einen Blick in eine mögliche Zukunft des Reisens und Lebens ohne schlechtes Gewissen. Natürlich kommt das Hotel gänzlich ohne Einwegartikel aus. Die Seife, zum Beispiel, schneiden sich die Gäste nach tatsächlichem Bedarf selbst von einem Block ab! ■