Hiroshima-Okonomiyaki und Sanuki-Udon: In Japans Westen regionale Kultgerichte entdecken

In Setouchi, dem weniger bekannten Teil Japans rings um die Seto-Inlandsee, sind einfache, aber raffinierte Klassiker der nationalen Küche zuhause. Hiroshima präsentiert ein legendäres Nachkriegsgericht in einem vertikalen Pfannkuchendorf, und die Udon-Hauptstadt Takamatsu lädt zu Schlemmertouren per Taxi.

In der „Udon-Präfektur“ Kagawa bringen spezielle Taxis die Fans des Gerichts von Restaurant zu Restaurant – Foto: Toshiko Sakurai

04. November 2024 (tpr) – Es war kaum etwas übrig von Hiroshimas Innenstadt nach Little Boy. Doch der Wille der Japaner, die Stadt wiederaufzubauen, war groß. Das verschwundene Industriezentrum sollte zur Friedensstadt werden. Ein einfacher Streetfood-Klassiker ist heute ein Symbol für den Tatendrang und die Zuversicht dieser Zeit: Okonomiyaki. Der geschichtete Pfannkuchen gehört zu den kulinarischen Landmarken der Setouchi-Region – genauso wie Sanuki-Udon, eine Variante der beliebten dicken Weizennudeln. Wer im Westen Japans unterwegs ist, kommt an den beiden Kultgerichten nicht vorbei.

Hiroshima: Schlemmen im Okonomiyaki-Dorf

„Das sieht ja aus wie ein Okonomiyaki-Dorf!“, sagte der in Japan bekannte Schriftsteller Kida Minoru beim Anblick des Shintenchi-Platzes im Zentrum von Hiroshima. Es war die Nachkriegszeit. Und auf dem Platz drängten sich bis zu 50 Okonomiyaki-Verkaufsstände. „Okonomiyaki“ heißt so viel wie „Gebraten, wie du es willst“. Warum genau dieses Gericht damals so populär wurde? Wahrscheinlich lag es an den einfachen Zutaten. Die Arbeiter von unzähligen Baustellen in der Innenstadt kamen jedenfalls Tag für Tag hier zusammen, um ein warmes, herzhaftes und preiswertes Gericht zu genießen – und den Wiederaufbau durch das Ritual als Gemeinschaftsprojekt zu erleben.

Okonomiyaki hat seine Wurzeln in einem einfachen Imbissgericht, das auf einem dünn ausgebackenen Teigfladen basierte und während der Meiji-Ära (1868-1912) in Kyoto und Osaka beliebt war. Grundzutaten sind Weizenmehl, Ei und Kohl, die auf dem Teppan-Grill zu einem Pfannkuchen gebraten und mit einer speziellen Okonomiyaki-Sauce sowie weiteren Garnierungen serviert werden. Heute gibt es das Gericht in zwei regionalen Varianten: In Osaka werden die Zutaten vor dem Backen vermischt, in Hiroshima im Laufe des Garens sorgfältig Schicht für Schicht übereinandergelegt. Dabei kommen oft auch Bohnenkeime sowie Schweinefleisch und Yakisoba- oder Udon-Nudeln ins Spiel. Gekrönt wird das proteinreiche Kunstwerk mit einem Spiegelei.

Das ursprüngliche „Okonomiyaki-Dorf“, japanisch: Okonomimura, musste in den 1960er Jahren der Umgestaltung des Shintenchi-Platzes, der seit der Nachkriegszeit der zentrale Ort des Okonomiyaki-Kults war, weichen. Doch Hiroshima hat nie aufgehört, sein kulinarisches Markenzeichen zu perfektionieren. Die Tradition wurde in festen Läden weitergeführt. Im Jahr 1992 schließlich erfasste die Vertikalisierung der Stadt auch das Okonomimura, das als Hochhaus wiedererstand. Heute laden hier 23 verschiedene Restaurants dazu ein, die Vielfalt des Klassikers zu erleben, der traditionell vor den Augen der Gäste zubereitet wird. Dabei geht es lebhaft zu – ein bisschen so wie im ursprünglichen Okonomiyaki-Dorf. Infos: www.okonomimura.jp

Kagawa: Unterwegs im Udon-Taxi

Was für Hiroshima Okonomiyaki, das ist für die Stadt Takamatsu Udon. Die Region Kagawa, zu der Takamatsu gehört, liegt auf der Insel Shikoku, am südlichen Ufer der Seto-Inlandsee. Manchmal wird sie scherzhaft „Udon-Präfektur“ genannt. Der Gründungsmythos des Udon-Kults in Kagawa wird in verschiedenen Varianten erzählt. Die populärste berichtet von einem buddhistischen Mönch, der das Rezept für die dicken Weizennudeln im 9. Jahrhundert aus China mitbringt. Fakt ist: Nirgends in Japan wird die Udon-Kultur mit solcher Hingabe gepflegt wie in der Region um Takamatsu. Allein in der Stadt gibt es Hunderte Udon-Restaurants!

Die regionale Udon-Variante der Präfektur Kagawa heißt Sanuki-Udon. Der feine Unterschied liegt in der Konsistenz. Im Gegensatz zu den eher weichen Udon aus anderen Gegenden, sind die hiesigen Nudeln fest und elastisch. Gegessen werden sie traditionell in einer klaren, leichten Brühe aus Dashi, Sojasauce und Mirin, oft garniert mit einfachen Zutaten wie Frühlingszwiebeln, Tempura oder frittierten Tofutaschen.

In Takamatsu ist es für Besucher und Einheimische üblich, mehrere Udon-Lokale zu besuchen und danach über die verschiedenen Zubereitungsarten und Geschmacksrichtungen der Sanuki-Udon zu fachsimpeln. Dadurch sind die Udon-Taxis entstanden, oft erkennbar an einer großen Udon-Schüssel auf dem Fahrzeugdach. Sie bringen Udon-Fans zu berühmten Restaurants sowie zu versteckten Perlen, die in keinem Reiseführer stehen. Die Fahrer sind als hauptberufliche Udon-Taxi-Fahrer zertifiziert. Sie mussten in einer Prüfung beweisen, dass sie die Geschichte und Kultur von Udon erklären können. Außerdem übernehmen sie auch die Bestellvorgänge in den verschiedenen Restaurants, sodass die Tour für die Gäste effizient und reibungslos verläuft. In der Regel gibt es unterwegs auch ein wenig Ortskunde. Auch kurze Stopps bei Sehenswürdigkeiten am Wegesrand sind möglich.

Die Touren im Udon-Taxi müssen vorab reserviert werden und dauern je nach Anzahl der besuchten Restaurants zwischen 60 und 180 Minuten. Die offizielle Empfehlung liegt bei zwei bis drei Stationen. Daher sollten die Touren mindestens 90 Minuten lang sein.

Die Preise liegen zwischen 5.400 Yen für eine 60-minütige Tour und 16.200 Yen für eine 180-minütige Tour (Stand Oktober 2024: etwa 34 bis 103 Euro) zzgl. Speisen und Getränke. Infos und Reservierung unter: www.udon-taxi.com/en ■