Festung Königstein zeigt Sonderausstellung zur Jugendwerkhofzeit 1949-1955

In einer sehenswerten Sonderausstellung arbeitet die Festung Königstein im Elbsandsteingebirge ein Stück eigene und zugleich DDR-Geschichte auf. Damit ist sie Wegbereiter in Deutschland. Die Schau öffnet am 5. April.

 

Dr. Angelika Taube, Geschäftsführerin der Festung Königstein gGmbH (l.), und Dr. Maria Pretzschner, Museumspädagogin der Festung Königstein gGmbH und Kuratorin der neuen Sonderausstellung, an einer Medienstation. Foto: Marko Förster

Königstein, 4. April 2019 (tpr) – Verwaist, ausgebombt, traumatisiert, vertrieben, mittellos: Viele Kinder und Jugendliche im Nachkriegsdeutschland litten große materielle und seelische Not. Und das Leid führte oftmals zu Kriminalität, Rebellion und Verwahrlosung. Wohin mit den Problemfällen in einem darniederliegenden Land? Die DDR-Führung kombinierte Jugendhilfe, Strafverfolgung und kommunistische Ideologie zum Konzept Jugendwerkhof.

In etwa 70 Einrichtungen sollten die Jungen und Mädchen zu „vollwertigen Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft“ geformt werden. Doch was geschah tatsächlich hinter den Mauern? Erst in jüngster Zeit begann die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der deutschen Vergangenheit.

Auch die Festung Königstein, eines der meistbesuchten Ausflugsziele in Sachsen, liefert nun einen gewichtigen Beitrag dazu. Ab 5. April zeigt sie die Sonderausstellung „Jugendwerkhof Königstein 1949-1955“. Mit atmosphärischen Inszenierungen arbeitet das Team der berühmten Bergfestung ein bislang weitgehend unbekanntes Kapitel ihrer etwa 800-jährigen Geschichte auf.

„Es ist eine der ersten Ausstellungen bundesweit, in der sich eine Institution, in deren Räumen ein Jugendwerkhof bestanden hat, ihrer Vergangenheit stellt“, sagt Kuratorin Maria Pretzschner von der Festung Königstein gGmbH. „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es in Deutschlands Museen keine vergleichbare Schau. Wir hoffen, mit unserem Engagement die Aufarbeitung dieses Themas zu fördern.“

Modell für Torgau

Der Königsteiner Werkhof war eine der ersten Einrichtungen der Jugendhilfe in der frühen DDR. „Auf die Festung kamen Jugendliche, deren Delikte als besonders schwerwiegend galten“, erklärt Maria Pretzschner. Der Werkhof sollte ihnen die Gefängnishaft ersparen, eine Berufsausbildung ermöglichen und sie befähigen, ein geregeltes Leben zu führen.

Ab 1949 lebten etwa 40 Jungen zwischen 14 und 18 Jahren im Jugendwerkhof Königstein. Später kamen weitere hinzu, zeitweise auch Mädchen. Bis zu 200 Jugendlichen bot die Einrichtung Platz. Es war ein Leben wie in der Verbannung. Die als ausbruchsicher geltende Festung mit ihrer abgeschiedenen Lage auf einem Tafelberg sowie ihrer Vorgeschichte als sächsisches Staatsgefängnis, als Militärstrafanstalt, später auch als Kriegsgefangenenlager, besaß alle Voraussetzungen, hier einen von der Außenwelt abgeschirmten Bereich für die jungen Menschen einzurichten. Es reifte die Idee eines geschlossenen Werkhofs heran. Später wurde diese Idee auch in Torgau realisiert. Der Jugendwerkhof Königstein wurde 1955 nach nur sechs Jahren auf Druck der Öffentlichkeit wieder geschlossen.

Ausstellung zeigt Leben der Insassen

Die Ausstellung „Jugendwerkhof Königstein 1949-1955“ ist in der Magdalenenburg der Festung Königstein zu sehen. In zwei aufeinander aufbauenden Bereichen vermittelt sie eine Vorstellung von der Lebenswelt der Insassen.

Der erste Ausstellungsbereich steckt den historischen Kontext ab: Nachkriegsdeutschland, Sowjetische Besatzungszone, die Tradition der Festung Königstein als Gefängnis. Fotoaufnahmen zeigen das zerstörte Dresden auf großer Leinwand. Das unvorstellbare Leid, das der Krieg unter den Menschen hinterließ, vermittelt eine Installation aus Bilddokumenten, Filmausschnitten und Fundstücken aus den Trümmern der Stadt. Video- und Hörstationen ermöglichen ein individuelles Eintauchen in die Materie. Der Besucher erfährt, wie die Heranwachsenden mit ihrer Not umgingen. Und wie in den Nachkriegsjahren die ersten Jugendwerkhöfe, darunter jener auf der Festung Königstein, entstanden.

Der zweite Raum veranschaulicht den Alltag der Insassen: Schulunterricht, Lehrausbildung, politische Erziehung, geregelter Tagesablauf, gelenkte Freizeit. Gezeigt werden neben Fotos aus dem Festungsarchiv auch erhaltene Möbel und Gegenstände, Arbeitsgeräte aus der Schlosser- und Tischlerwerkstatt sowie interessante Dokumente, wie die Heimordnung, Urkunden, Zeugnisse, Berichte, Inventarverzeichnisse und Zeitungsartikel. Medienstationen laden zur Vertiefung ein. Das Jugendwerkhoflied wurde eigens für die Ausstellung vom Knabenchor Dresden eingesungen.

Zeitzeugen kommen zu Wort

Besonders wertvoll sind die Zeitzeugenberichte, welche die Kuratorin im Vorfeld der Ausstellung aufwendig zusammengetragen hat – gerade noch rechtzeitig, denn viele der direkt Betroffenen leben bereits nicht mehr. „Es war uns wichtig, den Menschen eine Stimme zu geben. Insassen, Erzieher und deren Angehörige vermitteln aus verschiedenen Perspektiven ein sehr lebendiges Bild von der Situation damals auf dem Königstein“, so Maria Pretzschner. In Hörstationen sind die persönlichen Schilderungen abrufbar.

Auf dem Freigelände der Festung finden Besucher außerdem mehrere Erinnerungsorte. Acht Schautafeln mit historischen Ansichten weisen auf die jeweiligen Stätten des Jugendwerkhofs hin, in denen die Jugendlichen gewohnt und gearbeitet haben, wo Appelle stattfanden, wo es Fluchtversuche gab. Auch Ritzungen der Insassen in die Sandsteinmauern der einstigen Wehranlage sind bis heute sichtbar.

Vorträge und Lebendige Bibliothek

Zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema Jugendwerkhöfe in der DDR bietet die Festung Königstein zusammen mit der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau am 28. Mai einen Vortrag in der Dresdner Gedenkstätte Münchner Platz an. Darüber hinaus wird es eine „Lebendige Bibliothek“ geben: Menschen, die sich an die DDR-Zeit in Königstein erinnern, tauschen sich mit Schülern und Interessierten über ihre Erlebnisse aus.

Die Sonderausstellung „Jugendwerkhof Königstein 1949-1955“ ist vom 5. April bis zum 3. November täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet und auf Deutsch, Englisch und Tschechisch erlebbar. Für Kinder sind die Inhalte der Ausstellung ab einem Alter von zwölf Jahren geeignet. Der Eintritt ist im regulären Festungseintritt enthalten. www.festung-koenigstein.de

„Jugendwerkhof Königstein 1949-1955“
Sonderausstellung auf der Festung Königstein / Sächsische Schweiz
5. April – 3. November 2019, täglich von 9 bis 18 Uhr
Der Eintritt ist im regulären Festungseintritt enthalten.
Altersempfehlung: ab 12 Jahren

Online-Pressebildarchiv Festung Königstein:
www.press-area.com/festung-koenigstein/bildarchiv.html

O-Töne der Kuratorin zum Download:
www.press-area.com/festung-koenigstein/o-toene.html

Pressemappe zur Sonderausstellung zum Download:

www.press-area.com/festung-koenigstein/pressemappen.html

Herausgeber:
Festung Königstein gGmbH
01824 Königstein
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www.festung-koenigstein.de

Pressekontakt:
Anne Jungowitz
THIEL Public Relations e. K.
T : +49 351 3148892
E-Mail: presse(at)thielpr.com

Über die Festung Königstein:
Die Festung Königstein ist eine der interessantesten Bergfestungen in Europa und gehört zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten in Sachsen. Eingebettet in die bizarre Felslandschaft des Elbsandsteingebirges thront die einst unbezwingbare Wehranlage weithin sichtbar 247 Meter über dem Elbtal. Das 9,5 Hektar große Felsplateau ist mit seinem einzigartigen Ensemble aus mehr als 50 imposanten Bauwerken verschiedener Epochen und seiner fast 800-jährigen, in verschiedenen Ausstellungen erzählten Geschichte ein Magnet für jährlich Hunderttausende Besucher aus der ganzen Welt.
www.festung-koenigstein.de